Kann ich ChatGBT (=Künstliche Intelligenz) verwenden, um gute Fragen für ein Vorstellungsgespräch mit Bewerbern zu entwickeln?

Künstliche Intelligenz (=KI) ist in aller Munde. Daher wollen wir heute der Frage nachgehen, ob man mit der KI tatsächlich einfach gute Fragen ermitteln kann, die man Bewerbern stellen kann.

Meine Eingabe der folgenden Frage an die KI:

Bitte nenne mir gute Fragen für ein Vorstellungsgespräch mit Bewerbern für eine Ausbildung zum Industriekaufmann!

Antwort der KI:

Natürlich, ich helfe dir gerne dabei! Hier sind einige gute Fragen, die du in einem Vorstellungsgespräch für Bewerber um eine Ausbildung zum Industriekaufmann stellen kannst:

  1. Warum hast du dich für eine Ausbildung zum Industriekaufmann entschieden?
    (Zeigt die Motivation und das Interesse am Beruf)
  2. Was weißt du über unser Unternehmen?
    (Testet die Vorbereitung und das Interesse am potenziellen Arbeitgeber)
  3. Welche Schulnoten hast du in den Fächern Wirtschaft, Mathematik oder Deutsch erzielt?
    (Gibt Aufschluss über die fachlichen Voraussetzungen)
  4. Wie gehst du mit Stress oder Termindruck um?
    (Erkundet die Belastbarkeit und Organisationstalent)
  5. Kannst du ein Beispiel nennen, bei dem du im Team gearbeitet hast?
    (Zeigt Teamfähigkeit und soziale Kompetenzen)
  6. Was sind deine Stärken und Schwächen?
    (Selbsteinschätzung und Ehrlichkeit)
  7. Wie stellst du dir deinen Arbeitsalltag als Industriekaufmann vor?
    (Erwartungen und Vorstellungen des Bewerbers)
  8. Hast du schon praktische Erfahrungen im kaufmännischen Bereich gesammelt?
    (Praktische Vorerfahrungen)
  9. Warum sollten wir gerade dich für diese Ausbildung auswählen?
    (Selbstpräsentation und Überzeugungskraft)
  10. Was machst du, wenn du auf ein Problem stößt, das du nicht sofort lösen kannst?
    (Problemlösungsfähigkeit und Initiative)

Meine Stellungnahme dazu:

Leider treten hier viele Fehler auf, die unbedingt zu vermeiden sind.

>Frage 1 soll die Motivation des Bewerbers ermitteln. Der Bewerber kann hier leider zu Hause in jedem Internetratgeber nachlesen, was er antworten soll. Aussagekraft: 0%

>Frage 2 soll die Motivation des Bewerbers testen, in dem wir ihn  fragen, was er über unser Unternehmen weiß. Jeder Bewerber kann diese Frage beantworten, wenn er die Homepage gelesen hat. Seine Motivation, warum er bei uns arbeiten will, können wir damit nicht ermitteln. Aussagekraft: 0%

>Frage 3 soll die Kompetenzen, die für eine Ausbildung zum Industriekaufmann notwendig sind, ermitteln. Daher wird nach den Noten Wirtschaft, Mathematik und Deutsch gefragt. Leider sagen Schulnoten nicht viel über den Bewerber aus, da selbst bei gleichen Leistungen der Schüler Abweichung von bis zu 3 Noten möglich sind. Des Weiteren kann anhand der Note nicht ermittelt werden, worin die Leistung bestand. Gedichtinterpretationen? Polynomdivision? – Diese Kompetenzen sind beispielsweise völlig nutzlos für eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Daher liegt die Aussagekraft der Schulnoten leider auch bei 0%.

>Frage 4 soll ermitteln, wie der Bewerber mit Stress oder Termindruck umgeht. Diese Frage ist tatsächlich gut, aber leider fehlt hier eine Bewertungsskala (Notenskala von 1-5), mit der wir die Antwort genau und objektiv bewerten können. Haben wir keinen Beurteilungsbogen vorliegen, ist die Aussagekraft aufgrund mangelnder Objektivität bei 0%.

>Frage 5 soll die Teamfähigkeit ermitteln. Dazu soll der Bewerber ein Beispiel nennen. Hier kann jeder Bewerber drauf antworten, da jeder Schüler bereits in Schülergruppen gearbeitet hat. Die Tatsache, dass ein Schüler in Gruppen gearbeitet hat, heißt noch lange nicht, dass er sich gut in Teams integrieren kann und gern mit anderen zusammen arbeitet. Die Ermittlung von Teamfähigkeit könnte man viel besser mit hochstrukturierten Bewerberinterviews feststellen. Daher liegt auch hier die Aussagekraft bei 0%.

>Frage 6 soll die Stärken und Schwächen eines Bewerbers ermitteln. Diese Frage steht in jedem Internetratgeber. Hier kann man dann als Schwächen beispielsweise Schokolade oder Arbeitssucht angeben. Als Stärken werden dann alle möglichen Dinge behauptet, die allerdings nicht belegt werden können. Blender kommen hier besonders gut zum Zug. Aussagekraft dieser Frage: 0%.

>Frage 7 soll ermitteln, welche Vorstellungen ein Bewerber über den Beruf hat und wie ein Arbeitsalltag so aussehen könnte. Hat das Unternehmen kein Praktikum als Voraussetzung in der Stellenanzeige als Bedingung genannt, dann ist diese Frage heikel, beziehungsweise die Aussagekraft (=Reliabilität) ist gleich 0, da die Bewerber vor einer Ausbildung in der Regel noch keine Praxiserfahrungen gesammelt haben können. Diese Frage kann also schlichtweg nicht beantwortet werden.

>Frage 8 soll die Vorkenntnisse ermitteln, die ein Bewerber bereits im kaufmännischen Bereich gesammelt hat. Diese Frage kann jeder Personaler aus dem Lebenslauf entnehmen. Sollte der Schulabgänger noch kein Praktikum gemacht haben, ist die Aussagekraft der Frage ebenfalls bei 0 einzustufen.

>Frage 9 ist ein Witz und zeigt die Unfähigkeit des Personalers. Nicht der Bewerber soll ermitteln, ob er für die Stelle geeignet ist sondern der Personaler. Und wenn der Personaler nicht weiß, welche sinnvollen Fragen er stellen soll, ist er leider unfähig. Die Aussagekraft dieser Frage liegt leider bei 0%.

>Frage 10 soll die Problemlösefähigkeit eines Bewerbers ermitteln. Diese Frage ist tatsächlich gut, aber auch nur dann, wenn ein Beurteilungsbogen vorliegt, bei dem die Bewerberantwort einer bestimmten Note zugeordnet werden kann. Nur so ist die Objektivität erfüllt. Ist diese Bedingung nicht erfüllt, wird der Personaler rein subjektiv eine Bewertung vornehmen. Eine Vergleichbarkeit der Bewerber ist folglich unmöglich und die Aussagekraft liegt bei 0%.

Zusammengefasst: Die Ergebnisse der KI  sind ernüchternd schlecht. Ohne ein entsprechendes Hintergrundwissen/Fachwissen des Personalers kann ich mit der KI nichts anfangen. Ich persönlich hätte ja erwartet, dass die KI wenigstens die Qualitätskriterien in der Eignungsdiagnostik (=Objektivität, Validität und Reliabilität) kennt und entsprechend berücksichtigt. Die Brauchbarkeit für einen Laien oder Nichtexperten ist sehr gefährlich. Von einer KI Nutzung kann nur dringend abgeraten werden.

Im nächsten Teil werden wir uns „Hochstrukturierten Bewerberinterviews“ beschäftigen und hierbei die KI zu Rate ziehen. Ob die Ergebnisse dann besser werden? – Lassen wir uns überraschen😉