Headhunting – Die Lösung aller Probleme?

In jedem aktuellen Standardwerk für Geprüfte Personalfachkaufleute ist dieser Tipp (leider) zu finden: Sie haben als Unternehmen Probleme, die richtigen Fach- und Führungskräfte zu finden? – Dann ist Headhunting die erste Wahl.

Wirklich? – In der aktuellen Forschung der Wirtschafts- und Personalpsychologie wurde diese Methode der Mitarbeitergewinnung intensiv untersucht.

Was ist überhaupt Headhunting?

Beim Headhunting geht es um die offensive Anwerbung von Führungskräften bis hin zum Topmanagement oder hoch qualifizierten Experten.

Möglichkeit 1: Der Arbeitgeber wirbt selber eine Person von einem Konkurrenzunternehmen ab, oder er beauftragt ein „Headhunting-Unternehmen“, die Kandidaten von sich aus anzusprechen für eine entsprechende Provision.

Möglichkeit 2: Man hält Ausschau im Freundes- und Bekanntenkreis und fordert diese auf, sich zu bewerben. Die Suche nach geeigneten Kandidaten könnte auf Vorgesetzte oder Mitarbeiter übertragen werden. In manchen Unternehmen werden darüber hinaus Familienangehörige von Belegschaftsmitgliedern bevorzugt eingestellt.

Möglichkeit 3: Soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram und Co. bieten sich an, um geeignete Bewerber zu finden. Vertreter der Personalabteilung oder beauftragte Beraterfirmen durchsuchen dann soziale Netzwerke nach interessanten Profilen und sprechen diese an, um sie auf interessante Stellenangebote aufmerksam zu machen.

Bei allen 3 Möglichkeiten existieren jedoch laut Forschungsergebnis eine Reihe von Problemen:

Problem bei der 1 Möglichkeit: Die Auswahl der Kandidaten beim Headhunting: Woher weiß man, welche Personen geeignete Kandidaten sind? Eine Studie von 2010 (Hamori, 2010) zeigt, dass die Ergebnisse für die diagnostische Qualität sehr bescheiden ausfällt!!!

Der Grund dafür:

►Bei der Besetzung von Führungspositionen werden kaum valide Methoden eingesetzt. Da erhalten Auszubildende und Trainees wesentlich mehr Aufmerksamkeit!
►Eine Studie (Luthans, Hotgetts und Rosenkrantz, 1988) zeigt, dass schnelle Karrieren oft mehr mit Netzwerken zu tun haben als mit tatsächlicher Leistung!
►Eine weitere Studie (Kanning, 2013) belegt, dass erfahrene Führungskräfte im Mittelwert keine besseren Führungskräfte sind als ihre unerfahrenen Kollegen!
►Mit „Headhunting“ werden oft Blender eingestellt, die von einem Arbeitgeber zum nächsten wechseln

Problem bei der 2 Möglichkeit: Insgesamt sprechen die Befunde der Forschung für die Anwerbung durch Mitarbeiter und Führungskräfte (Van Hoye, 2013). Neue Mitarbeiter, die auf diesem Wege rekrutiert wurden, weisen eine höhere Arbeitszufriedenheit auf und verbleiben länger im Unternehmen. Zurückzuführen sei dies vor allem auf die höhere Selbstselektion der Bewerber, da sie ihre Passung zum Unternehmen stärker hinterfragen können durch die Insiderinformationen der Mitarbeiter.

Problem bei der 3 Möglichkeit: Bei den sozialen Netzwerken sind zunächst einmal berufliche Netzwerke wie Xing, LinkedIn und private Netzwerke wie Facebook zu nennen.

►70% der befragten Unternehmen nutzen berufsbezogene Netzwerke, um sich über Bewerber zu informieren; im Falle von Facebook sind es 43%.
►Bezogen auf Facebook geben 57% der Personaler an, dass sie sich für alle verfügbaren In-formationen interessieren. Motto: Viel hilft viel. – Problem dabei: So manche Informationen verleiten zu Fehlschlüssen, die durch andere Informationen nicht wieder ausgeglichen werden kann.(>Urteilsfehler der sich selbst erfüllenden Prophezeiung). Besonders beliebt sind auch Deutungen der privaten Fotos, in denen man etwas über die Persönlichkeit des Menschen zu sehen glaubt.
Klare Regeln, nach denen die gesichteten Informationen in eine Art Kandidatenprofil einfließen, existieren leider nicht. Mit seriöser Diagnostik hat das nicht das Geringste zu tun. Hier regiert der blinde Glaube an die eigene Menschenkenntnis.

Fazit:

►Gehen Sie nicht davon aus, das Menschen in wichtigen Positionen automatisch gute Leistungen erbringen.
►Headhunting ist kein Auswahlverfahren, sondern lediglich eine Methode des Personalmarketings.
►Setzen Sie bei der Anwerbung neuer Mitarbeiter besonders auf die direkten Vorgesetzen und Kollegen und nicht auf jeden x beliebigen Mitarbeiter.
►Verdeutlichen Sie den Anwerbenden, worin der Sinn der Aktion liegt und welche Verantwortung sie tragen. Es geht nicht um die Versorgung von Bekannten und Verwandten, sondern um die Ansprache geeigneter Personen.
►Die Anwerber sollen ein realistisches Bild der Anforderungen sowie der Kultur des Hauses vermitteln, damit die Angesprochenen ihre Passung selbst kritisch hinterfragen können.
►Zahlen Sie den Werbenden keine Kopfprämien. Das Ziel der Aktion sollte die Anwerbung passender Mitarbeiter sein.
►Sollten Sie soziale Netzwerke nutzen, beschränken Sie sich auf die beruflichen Netzwerke und akzeptieren Sie die Privatsphäre der Bewerber.
►Definieren Sie vor der Nutzung der beruflichen Netzwerke, welche Informationen einer Be-rufsbiografie (Ausbildung, Auslandserfahrung, Mehrsprachigkeit, etc.) für die zu besetzende Stelle von Bedeutung sind und verhindern Sie so das uferlose Deuten jedweder Information.
►Hinterfragen Sie die Eignung der angeworbenen Personen im Auswahlverfahren genauso differenziert wie die Eignung aller übrigen Bewerber.
►Hinterfragen Sie die Eignung von Spitzenführungskräften kritischer als die Eignung von Auszubildenden oder Trainees, denn je höher die Position im Unternehmen, desto mehr Schaden kann angerichtet werden.

 

PS: Übrigens eignet sich dieses Thema ideal als mündliches Prüfungsthema für Ihre PFK-Prüfung.